Die Pfarreien St. Gottfried/Maximilian Kolbe, Heilig Geist und St. Sebastian haben vom Bistum die Vorgabe bekommen, ihre pastorale Struktur und Konzeption neu aufeinander abzustimmen. Der Kooperationsrat der drei Pfarreien hat den Auftrag gegeben, in den jeweiligen Pfarreien Vorschläge für eine gemeinsame pastorale Kooperation zu machen. Der Pfarrgemeinderat St. Sebastian hat in einer Klausurtagung am 25.08.2007 Vorschläge erarbeitet. Die Gemeindeversammlung hat diese Vorschläge diskutiert und darüber beschlossen.
Im Folgenden findet sich ein Auszug aus dem
Protokoll der Gemeindeversammlung mit einer Darstellung der
grundsätzlichen Überlegungen zum Pastoralkonzept, einer Darstellung der
Gestaltungsvorschläge des Pfarrgemeinderates einer Darstellung der wesentlichen
"Schnipsel" aus der Diskussion in der Gemeindeversammlung sowie das
Votum der Gemeindeversammlung.Gemeindeversammlung „Zukunft unserer Gemeinde“ St. Sebastian im Südviertel
Ort: Pfarrheim St. Sebastian
Zeit: Sonntag, 02.09.2007, 11.15 Uhr – 13.00 Uhr
Eva-Maria König, Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, begrüßt die Anwesenden herzlich und eröffnet die Gemeindeversammlung, die unter dem Thema „Zukunft unserer Gemeinde“ steht.
Der Vorschlag zur
Tagesordnung• Vorstellung der grundlegenden Überlegungen des Pfarrgemeinderates zu den Kooperationsschritten zwischen den Pfarreien St. Gottfried, Hl. Geist und St. Sebastian
• Vorstellung konkreter Lösungsvorschläge für bestehende Herausforderungen
• Murmelphase
• Diskussion
• Meinungsbildung und Beschlussfassung
wird angenommen.
Arnd Bünker stellt den Weg der Überlegungen des Pfarrgemeinderats (PGR) vor, die von pastoraltheologischen Hilfestellungen und Modellen des Pastoraltheologen
Stefan Gärtner ausgehen und während der Klausurtagung des PGR am Samstag, 25.08.2007, vorgestellt und diskutiert wurden.
Grundsätzliche Überlegungen:
Als zentrale Überlegung gilt es festzuhalten, dass
Gemeinde kein Selbstzweck ist, sondern als
Darstellung der liebenden Zuwendung Gottes zur Welt verstanden wird. Diese Darstellung verwirklicht sich in vier Dimensionen, die allerdings oft miteinander verwoben sind:
1. Gottesdienst
2. Nächstenliebe
3. Zeugnis vom Glauben/Verkündigung und
4. Gemeinschaftsstiftung unter den Menschen.
Die konkrete Sozialform, das Beziehungsgewebe, in der die Darstellung von Gottes liebender Zuwendung zu den Menschen gestaltet und gelebt wird, kann sehr unterschiedlich sein. Drei Modelle werden vorgestellt, die alle einen konkreten Bezug zur Situation von St. Sebastian haben und damit auch konkrete Hinweise für die Zukunftsgestaltung geben. Modelle vereinfachen die Realität, geben zugleich aber zentrale Charakterzüge wieder.
1.
Gemeinde wird als
Pfarrei gedacht:
Gemeinde, die modellhaft als Pfarrei verstanden wird, lässt sich als Pyramide darstellen. Oben steht der Pfarrer, darunter stehen in hierarchischer Ordnung seiner Mitarbeiter und die Räte (Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand). Die Katholiken im Zuständigkeitsbereich der territorial begrenzten Pfarrei bilden die Masse der Gläubigen, die in der Pfarrei erfasst werden und denen mit dem Pfarrer/seinen Mitarbeitern eine eindeutig benannte Ansprechperson zur Verfügung steht. Der Pfarrer steht im Mittelpunkt und über der Gemeinde als Pfarrei. Das kirchliche Recht der Pfarrei kreist fast nur um den Pfarrer und kennt den Begriff Gemeinde gar nicht. Im Zentrum steht die Vorstellung einer Heilsanstalt, deren Aufgabe die Sicherstellung der Erfassung aller Katholiken und ihrer sakramentalen Versorgung ist. Die Aufgabe des Pfarrers ist mit der Vergrößerung einer Pfarrei immer schwieriger zu erfüllen, so dass Gemeinde als Pfarrei oft mit der Überforderung des Pfarrers (und seiner Mitarbeiter) zu tun hat. Während also in rechtlicher Hinsicht eine Fusion problemlos wäre – die Pyramide würde nur dicker – stellt sich für die Aufgabe der Leitung und der Seelsorge die Schwierigkeit größerer und anonymer „Massen“. Für die Katholiken ist das Modell zwar rechtlich-theoretisch einfach aber kaum menschlich-beziehungsmäßig erlebbar. Zudem ist das Pfarrmodell von der Vorstellung einer geschlossenen katholischen Welt geprägt. Bezüge zur Umwelt (der Nicht-Katholiken) kommen nicht vor, was nicht zuletzt die Möglichkeiten der Darstellung der Liebe Gottes zu den Menschen auf den Binnenraum der Kirche einengt.
Für die Zukunftsplanung muss die rechtliche Form der Pfarrei berücksichtigt werden. Dazu gibt es die Modelle der Pfarrei und der Seelsorgeeinheit, die in seelsorglicher Hinsicht Pfarrei ist, in Verwaltungshinsicht aber aus mehreren selbstständigen Pfarreien besteht.
2.
Gemeinde wird als
Kerngemeinde gedacht:
Das Modell der Kerngemeinde lässt sich als Modell von Ringen/Kreisen um einen Kern herum darstellen. Im Kern sind die aktiven Mitglieder einer Gemeinde, die Priester, MitarbeiterInnen, Räte... versammelt. In der Regel wird man die Sonntagsgemeinde als Kerngemeinde bezeichnen. Nicht zufällig findet die Gemeindeversammlung von St. Sebastian im Anschluss an die Sonntagsmesse statt. Die Gemeinschaft im Kern der Gemeinde trägt gemeinsam Verantwortung für Gottesdienst, Nächstenliebe und Verkündigung. Gemeinschaft ist wesentlicher Teil dieser Gemeindevorstellung. Hier gibt es wenig oder gar keine Anonymität. Verbindliche Beziehungen prägen die Gemeindepraxis. Im Ideal gelingt es der Kerngemeinde, nach außen zu strahlen, Menschen im Umfeld der Kerngemeinde zu erreichen und sie als Interessierte, Engagierte, Sympathisanten oder als sog. „Fernstehende“ in Beziehung zur Gemeinde zu setzen. Die Kerngemeinde muss dabei nicht nur auf die Katholiken in ihrer Umwelt schauen, sondern auf alle Menschen im Umfeld der Kerngemeinde. So kann sie ihren Weltbezug besser gestalten als die Pfarrei.
Der Vorteil der Kerngemeinde, die feste Gemeinschaft, das konkret erlebbare und nicht anonyme Zugehörigkeitsgefühl, kennzeichnet aber auch das Problem der Kerngemeinde: Was sie zusammenhält, schließt andere Menschen aus. Die feste Gemeinschaft ist nur möglich durch unausgesprochene Regeln und gemeinsame Mentalitäten, ein bestimmtes Milieu: Jede Gemeinde als Kerngemeinde hat ihren eigenen Stil – oder negativ ausgedrückt – ihren eigenen Stallgeruch. Wir haben unseren Stil und andere Gemeinden haben einen anderen Stil. Nicht jeder Mensch kann sich bei uns wohl fühlen. Gemeinschaft und Ausgrenzung gehören in der Realität zusammen.
Für die Zukunftsplanungen bedeutet dies, dass kerngemeindliche Beziehungsnetze als Lebens- und Glaubensräume von Christinnen und Christen zu bewahren sind. Aufgrund der unterschiedlichen Stile und Mentalitäten lassen sich Kerngemeinden nicht fusionieren. Gerade eine Vielzahl von Kerngemeinden mit unterschiedlichen Ausprägungen und Charakterzügen kann aber der Vielfalt der Menschen in der Umwelt der Gemeinden besser entsprechen und damit die Darstellung der Nähe Gottes zu den Menschen im Südviertel erleichtern.
3.
Gemeinde wird als
Netzwerk gedacht:
Mit dem Netzwerkmodell wird der kerngemeindlich eng geführte Blick geweitet. Dargestellt wird es durch eine Vielzahl auf unterschiedliche Weise verbundener Partikel, die Gruppen, Gottesdienstgemeinden, Initiativen... symbolisieren. Das Netzwerk hat kein Zentrum, wohl aber mehr oder weniger große Knotenpunkte, bei denen viele Verbindungen unterschiedlicher Netzwerkpartikel zusammenlaufen und verknüpft sind.
Das Netzwerk zwingt nicht mehr länger, „die“ Gemeinde zu suchen oder zu definieren (z.B. die Sonntagsgemeinde), sondern Gemeinde ist alles, was in den Netzwerkteilen, den Netzwerkpartikeln, an Darstellungspraxis der Liebe Gottes zu den Menschen wächst. Kein einzelnes Partikel kann alle Darstellungsweisen umfassend realisieren, nur zusammen wird gemeindliche Praxis sichtbar. Gemeinde St. Sebastian als Netzwerk ist alles, was geschieht:
• in Gottesdienstgemeinden: Samstags- /Sonntagsgemeinde, Wortgottesdienstgruppe, Mittwochsmesse, Späte Messe am Donnerstag, Gottesdienst der ghanaischen Gruppe, Queer-Gottesdienst, Vietnamesische Gemeinde, Schulgottesdienst, privates Gebet...,
• in Gruppen und Initiativen der Nächstenliebe: Sozialbüro, Münster-Tafel, Kindergarten, auch Besuche von Kranken, Kollekten, Pskow-Projekt,...
• in Gruppen und Initiativen der Verkündigung und des Zeugnisses: Bibelnacht, das Zeugnis der Gastfreundlichkeit, der Einsatz für Gerechtigkeit z.B. durch die Eine-Welt-Gruppe, Mitarbeit in der Katechese, ökumenische Bibelveranstaltungen...
• in den Orten der Gemeinschaftsstiftung: Integration von Menschen mit psychischer Erkrankung, interkultureller Kindergarten, Gemeindemittagessen, Kirchenkaffe, Seniorengruppe, wenn sich zwei Leute absprechen, um den Weg zur Kirche gemeinsam zu gehen, Feste, Grillen, Familienkreise, Beteiligung am Südviertelfest, Präsenz auf dem Geistmarkt, persönliche Beziehungen ... nicht nur mit der Gruppe der Katholiken, sondern mit allen Menschen in unserem Lebensumfeld
Die Vielfalt der Partikel des Netzwerkes ermöglicht unterschiedlichste Formen und Verbindlichkeitsgrade der Zugehörigkeit zum Gemeindenetzwerk. Die Vielfalt der Partikel, der Gruppen, Initiativen und Gottesdienstgemeinden, kann die Nähe und die Beziehung zur Umwelt am besten garantieren, weil hier die größte Berührungsfläche mit den Menschen in unserem Umfeld gegeben ist. Für die Zukunftsplanung ist es notwendig, die Vielfalt der Gruppen im Netzwerk von St. Sebastian zu wahren und in ein neues, größeres Netzwerk zu integrieren. Dabei gilt es zugleich, die Knotenpunkte, die wir vor allem in den Gottesdienstgemeinden sehen, nicht zu zerschlagen, mit denen viele andere Gruppen und Initiativen eng und lebenswichtig verknüpft sind.
Auf dem Hintergrund der drei Modelle haben wir unser
Modell „Münster-Süd“ entwickelt.
Darin versuchen wir, eine pfarrliche Struktur in die bunte
Netzwerkrealität, in der Christinnen und Christen auf unterschiedliche Weise darstellen, dass Gott den Menschen Gutes will, zu integrieren. Dabei sehen wir
Knotenpunkte, die schon heute wichtig sind und auch in der zukünftigen Pastoralstruktur bewahrt werden sollen: das sind im Wesentlichen die
Gottesdienstgemeinden, die Menschen nah zu einander bringen, die nicht anonym sind und die mit vielen Initiativen lebendig zusammen hängen.
Im Blick auf St. Sebastian hat außerdem der
Kindergarten für uns eine hohe Bedeutung für Nächstenliebe, für das Zeugnis, dass Gott alle Menschen liebt, auch die fremden und die nicht-katholischen, und für die Aufgabe, Gemeinschaft zu stiften durch die interkulturelle Integrationsarbeit, die bei den Kindern beginnt.
Unter dem Dach einer größeren Seelsorgeeinheit oder Pfarrei soll diese Vielfalt gemeindlichen Lebens sichergestellt werden.
Dabei müssen wir aber auch zu Veränderungen bereit sein, da man uns Mittel vor allem finanzieller Art streicht und zudem langfristig die rechtliche Frage des Pfarrers unbeantwortet ist.
So kommt es zu unserem
Modell einer Netzwerkgemeinde unter dem Dach einer größeren Seelsorgeeinheit oder Pfarrei.
So weit stellt
Arnd Bünker die Grundüberlegungen des Pfarrgemeinderates vor.
Gestaltungsvorschläge des Pfarrgemeinderates:Eva-Maria König nimmt nun die Aspekte der
Gottesdienstgemeinden und ihrer besonders eng verbundenen Netzwerkpartikel in den Blick.
Außerdem stellt sie die Überlegungen zum
Kindergarten, der im Kontext der künftigen Pfarrheimnutzung betrachtet werden soll, vor:
Gottesdienstgemeinden als Knotenpunkte eines größeren Netzwerkes:
Die
Gottesdienstgemeinden von St. Sebastian (Samstags- und Sonntagsgemeinde, Werktagsgemeinden (Senioren- und ‚Späte Messe’), Wortgottesdienstgruppe, ghanaische Gruppe, Queers, Vietnamesen) sollen in einer neuen Struktur erhalten werden, um auch den Lebensvollzügen in den an sie angehängten Gruppen und Initiativen eine Zukunft zu geben. Dafür braucht es einen angemessenen und erreichbaren Raum. St. Sebastian ist bereit, das Kirchengebäude St. Sebastian abzugeben, wenn es z.B. in Heilig Geist nach einem Umbau des dortigen Kircheninnern die Möglichkeit gibt, die heutigen Sebastiansgottesdienste dort in der gewohnten Weise, im gewohnten Stil und in der Zusammenarbeit mit den jeweiligen die Gemeindeidentität mittragenden Priestern/Gemeindeleitern zu feiern. Denkbar wäre die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Auftrag der Planungen der Umgestaltung der Kirche, um vielen unterschiedlichen Gottesdienstgewohnheiten eine Realisierungschance zu geben.
Alternativ zum Wechsel in eine andere Kirche wäre eine (Zwischen)Lösung im Pfarrheim denkbar, falls es die Möglichkeit zur Migration der Sebastiansgottesdienste nach Geist (noch) nicht gibt und die Sebastianskirche schon abgegeben würde.
Der Wechsel an einen anderen Ort schließt auch ein, dass die Gruppen und Initiativen (z.B. Eine-Welt-Verkauf, Kaffee nach dem Gottesdienst...) ebenfalls Raum unter dem Dach des anderen Ortes bekommen. Nicht zuletzt schließt die Bereitschaft zum Ortswechsel ein, dass für Menschen mit einem geringen Mobilitätsradius ein würdiger und niedrigschwelliger Fahrdienst eingerichtet wird (z.B. Sammelpunkte im Südviertel für ein Gruppentaxi).
Der
Kindergarten soll mit seinem jetzigen Konzept der Integration als wichtiger Dienst am guten Leben der Menschen im Südviertel erhalten bleiben. Um dies zu sichern, sind wir bereit, einen anderen Träger zu suchen und die Räume des Kindergartens zu verpachten. Für eine konzeptionelle Weiterentwicklungsmöglichkeit des Kindergartens soll zudem die Seniorenstube zur Verfügung stehen.
Der Rest des Pfarrheims soll vor allem sozialen Zwecken und als Raum der Begegnung (Senioren, Münster-Tafel, Sozialbüro, Streetwork, kirchliche Gruppen mit Seelsorgefunktion, Familienzentrum...) dienen. Daher soll das Pfarrheim zumindest in Teilen auch in kirchlicher Hand bleiben.
Sollte es notwendig werden, das Pfarrheim als Gottesdienstraum zu nutzen, wäre das Pfarrhaus im Kirchenbesitz zu belassen, um die sozialen Zwecke und die Begegnungsräume zu ermöglichen. Falls die Gottesdienstgemeinden an einem anderen Ort eine Heimat finden können, könnte das Pfarrhaus ggf. auch abgestoßen werden.
Als
strukturellen Rahmen für das erläuterte Pastoral- und Gebäudekonzept schlägt St. Sebastian eine
Seelsorgeeinheit der drei Pfarreien St. Gottfried, Heilig Geist und St. Sebastian vor, um über die Integration der gemeindlichen Netzwerke zu einer inneren Bereitschaft und Fähigkeit zu kommen, einen weiteren Fusionsschritt zu gehen. Eine Seelsorgeeinheit ist der geeignete strukturelle Rahmen, um miteinander die klassische pfarrliche und oftmals einheitliche Gemeindementalität und die kerngemeindliche Exklusivität zu verlernen und eine bunte, vielfältige und unterschiedliche Netzwerkmentalität christlicher Gemeindebildung einzuüben.
Die neue Pfarrei soll – als Zeichen eines wirklichen Neuanfangs und als Zeichen der gleichwertigen gemeindlichen Knotenpunkte und Netzwerkstrukturen, die aus den alten Pfarreien hervorgehen – auch einen neuen Namen bekommen.
"Schnipsel" aus der Diskussion(... so viel gehört - und jetzt?)
Nach der Vorstellung dieser konkreten Zukunftsüberlegungen in St. Sebastian, die von den Anwesenden mit Applaus bedacht wird, lädt Eva-Maria König zu einer Murmelphase ein.
In der anschließenden
Diskussion werden folgende Fragen thematisiert:
• Wie steht es mit dem Umbau des Inneren der Geistkirche? Der
Pastoralreferent Thomas Hußmann berichtet davon, dass es in Heilig Geist eine kleine Gruppe gebe, die sich eine Änderung des Gottesdienstraumes wünsche und hier an einem Meinungsbildungsprozess arbeite. Konkrete Planungen oder einen konkreten Beschluss gebe es noch nicht; eine Kooperation mit VertreterInnen aus St. Sebastian wäre aber denkbar und sinnvoll. Aus der Perspektive von Heilig Geist hält
Thomas Hußmann die Überlegungen zum Umbau als Geste der Handreichung in Richtung St. Sebastian.
• Die Frage, ob ein Teilverkauf des Gebäudebestandes von St. Sebastian überhaupt denkbar ist, kann nicht beantwortet werden, allerdings bleibt die Zielsetzung der Sicherung des Kindergartens, seines pädagogischen Konzepts und der Arbeitsplätze von hoher Priorität. Dies werde auch von den Hauptamtlichen in der Seelsorge so gesehen und mitgetragen.
• Es solle bei allem Sinnvollen in den Überlegungen des Pfarrgemeinderates nicht vergessen werden, gegen die im Hintergrund liegenden grundsätzlichen pastoralen Entscheidungen und Weichenstellungen im Bistum Münster scharf zu protestieren. Es könne und dürfe nicht so getan werden, als sei die Politik, Gemeinden und Kirchen zu zerstören und gleichzeitig repräsentative Bauten (Generalvikariat, neue repräsentative Tagungshäuser, Bibliothek...) mit viel Geld zu errichten, richtig. Die Aggression gegen die Gemeinden und gegen Kirchen/Gottesdienstorte, von denen schließlich die Initialfunken christlichen Lebens ausgingen, dürfe nicht unwidersprochen bleiben. Dies öffentlich zu sagen und entschieden zu protestieren, sei auch Aufgabe unserer Gemeinde.
• Zustimmend wird hinzugefügt, dass wir uns als Gemeinde auch fragen müssen, wie viel pragmatischen „Realismus“ wir uns leisten können, ohne die eigene Glaubens- und Gemeindeidentität zu verraten. Es könne auch eine Situation eintreten, in der wir wahrhaftiger sind, wenn wir „realistischen“ Forderungen nicht nachgeben, anstatt uns auf faule Kompromisse einzulassen. Dies könnte auch bedeuten, den erzwungenen Tod von St. Sebastian ehrlich zuzugeben.
• Insbesondere die gemeindlich-plurale Situation von St. Gottfried/Maximilian Kolbe wird als mögliches Modell für eine Zusammenarbeit von Heilig Geist und St. Sebastian benannt. Dieses Modell sollen wir uns im Zuge einer Fusion nicht ausreden lassen.
• Die Überlegung, den Kindergarten über einen anderen Träger zu sichern, wird begrüßt.
• Eine Seelsorgeeinheit wird als derzeit einzig sinnvolle Weise der Kooperation gesehen. Eine Fusion löst Ängste – insbesondere vor Anonymität und dem faktischen Ausschluss der am meisten Benachteiligten – aus.
• Noch einmal wird gesagt, dass die Gemeinde deutlich machen soll, dass sie mit der Politik des Bistums nicht einverstanden ist.
• Es wird vorgeschlagen, die Überlegungen für die Kooperation unter eine Präambel zu stellen, die die Kritik an der Politik des Bistums benennt und einen scharfen Protest formuliert. Unter diesem Protest können dann die Vorschläge formuliert werden.
• Es wird noch einmal geklärt, dass der Ortswechsel der Gottesdienstgemeinde notwendig impliziert, auch einen Wechsel der mit ihr eng verbundenen Gruppen und Initiativen und eine Erreichbarkeit für Menschen mit geringer Mobilität zu ermöglichen. Ortswechsel wird also als umfassender Prozess gesehen, nicht nur als Ortswechsel einer liturgischen Veranstaltung. Letzteres wird ausdrücklich abgelehnt.
• Auf Nachfrage wird erläutert, dass die Gemeinde St. Sebastian unter realem Handlungsdruck durch die allgemeinen Kürzungen seitens des Bistums stehe. Dies betreffe auch alle anderen Gemeinden und sei Kennzeichen der Politik des Bistums.
• Es wird noch einmal die Notwendigkeit gesehen, Kritik an der Prioritätensetzung des Bistums zu üben (Repräsentation gegen Gemeindelebendigkeit).
• Das Modell Gottfried/Kolbe wird noch einmal als Modell für Sebastian/Geist gesehen – auch mit dem Aspekt von zwei unterschiedlichen Orten und Gemeinden.
Thomas Hußmann stellt als Pastoralreferent die Vergleichbarkeit in Frage, da es bei einer Fusion um eine Zusammenführung gehe, während es im Falle von Maximilian Kolbe um eine pastorale Reaktion auf die Besonderheiten im Stadtteil Berg Fidel gegangen sei.
• Genau diese Stadtteilunterschiede werden auch für die Gebiete von Geist und Sebastian deutlich von mehreren Anwesenden benannt. Berg Fidel sei insofern auch strukturell in vielem mit dem Gebiet von St. Sebastian vergleichbar; Stichwort: sozialer Brennpunkt. Nicht zuletzt ist vielen SebastianerInnen Berg Fidel dadurch bekannt, dass die jüngere Generation aus Sebastian oft nach Berg Fidel umgezogen ist. („In Berg Fidel wohnen unsere Leute.“)
• Ergänzend wird auch deutlich, dass sich die Einwohnerstruktur von St. Sebastian in den letzten Jahren noch einmal geändert hat und viele Menschen hier wohnen, die keinen katholischen Hintergrund haben. Damit stellt sich die Herausforderung, in der Umwelt des Südviertels präsent zu sein, noch einmal neu – jetzt angesichts der hohen Zahl von Menschen, insbesondere junger Familien, mit Migrationshintergrund.
• Es wird betont, dass die Gemeinde St. Sebastian mit ihrem Netzwerk auch in einer neuen Struktur erhalten bleiben solle.
• Kontrovers wird darüber diskutiert, ob es noch Sinn mache, Protest zu äußern und damit Energien zu binden. Eine Mehrzahl der Anwesenden sieht den Protest als Zeichen der wahrhaftigen und gläubigen Auseinandersetzung mit der Situation, will aber auch gestalterischen Vorschlägen für die Zukunft nicht widersprechen. Daher solle der Vorschlag, die Kooperationsideen unter eine deutliche allgemeine Protestäußerung an die Adresse der verantwortlichen Bistumsleitung zu stellen, umgesetzt werden.
• Für den Ortswechsel der Gemeinde wird der Begriff der Asylsituation eingebracht. Die Legitimierung einer Sebastiangemeinde an anderem Ort könne analog zur Legitimation von muttersprachlichen Gemeinden gesehen werden. Die besondere Kultur in den Gottesdiensten von St. Sebastian legitimiere eine eigene Existenz als Gottesdienstgemeinde mit eigenem aber offenem Netzwerk.
• Die Diskussion um die Protestnote zeigt auch die schon einsetzende Trauer- und Wutbewältigung in der Gemeinde. Manche helfen sich durch den Blick nach vorne, andere sind noch bei der Enttäuschung. Besonders benannt wird die Situation derer, für die ein Ortswechsel von St. Sebastian das Ende ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinde überhaupt bedeuten kann. Hier werden die Senioren und die Gruppe der psychisch Kranken genannt, für die ein Wechsel besonders schwierig ist.
• Es wird deutlich, dass diese Gruppen unsere besondere Aufmerksamkeit benötigen und dass in jedem Fall Wege der Mobilitätshilfe und der solidarischen Ermutigung und WeggefährtInnenschaft gesucht und gefunden werden müssen.
• Eine Asylsituation in einer anderen Kirche wird für unrealistisch gehalten.
• Auf Gruppenebene zeigt sich schon eine besser werdende Vernetzung (KFD), wobei die Räume und Gottesdienstorte der anderen noch immer fremd sind. Die Aufgabe von St. Sebastian, von Kirche und Pfarrheim, wäre auch der Verlust des Zuhauses im eigenen Stadtviertel.
• Auch auf der Ebene der Firmvorbereitung gibt es schon eine Verknüpfung im Netzwerk. Hier sei eine autonome Gruppe seit langem in der Zusammenarbeit erfolgreich.
• Es wird daran erinnert, dass es empirisch-soziologisch klar sei, dass eine Fusion von Kerngemeinden zu einer Gemeinde den Verlust der Menschen mindestens einer Gemeinde bedeutet. Entsprechende Beispiele konnten aus bisherigen Fusionsprozessen berichtet werden. Das Beispiel St. Bonifatius wurde genannt.
• Es wird vorgeschlagen über alternative Formen der Finanzmittelbeschaffung nachzudenken.
Votum der Gemeindeversammlung:Eva-Maria König stellt nach der Diskussion die Frage, ob die Gemeindeversammlung die Richtung der Überlegungen und Konkretionen, wie sie vorgestellt wurden, billigen könne unter Ergänzung um eine deutliche Protestaussage an die verantwortliche Bistumsleitung.
Die Gemeindeversammlung stimmt diesem Vorschlag zu.
Damit bedankt sich
Eva-Maria König bei den Anwesenden für die rege und engagierte Mitarbeit und beschließt die Gemeindeversammlung.